Die Nationalsozialisten ermordeten Millionen von Menschen in Konzentrations- und Vernichtungslagern. Am Kriegsende wurden dort Hunderttausende Häftlinge befreit. Viele Überlebende hatten alles verloren und waren schwer traumatisiert. Oft schwiegen sie über ihr Schicksal oder sprachen erst im hohen Alter darüber.
Wie lebten diese Menschen mit den erlittenen physischen und psychischen Zerstörungen weiter? Diese Frage begleitete den Regensburger Fotografen Stefan Hanke, als er von 2004 an zehn Jahre lang Betroffene aufsuchte. In seinem Projekt KZ überlebt porträtierte er 121 von ihnen in sieben europäischen Ländern.
-
Das Militärhistorische Museum der Bundeswehr zeigt aus diesem Konvolut über 80 Fotografien. Rund die Hälfte der Zeitzeugen sind jüdischer Herkunft, weitere sind Sinti und Roma, Zeugen Jehovas, Kriegsgefangene, ehemalige politische Häftlinge und als „Asoziale“ diskriminierte Menschen. Der Älteste war zum Zeitpunkt der Aufnahme 105 Jahre und die Jüngste 70 Jahre alt.
Stefan Hanke zeigt diese Menschen ohne vorgefasste Opferschablonen in ihrem Lebensumfeld oder an Orten ihrer Verfolgung und Lagerhaft. Seine Bildkompositionen reflektieren ihre Geschichte in einem einmaligen Augenblick. So entwickelten sich sehr persönliche Interpretationen seiner Begegnungen mit den Überlebenden auf hohem fotokünstlerischen Niveau.
Zum Beispiel entstand die Aufnahme von Leon Weintraub vor der Zeppelinhaupttribüne des ehemaligen Reichsparteitagsgeländes. Dort fühlte er sich nicht als Opfer, sondern als Sieger, weil er überlebte. Der berühmte Gitarrist Coco Schumann, der durch sein Spiel verschiedene Lager überstand, sah sich als einen Musiker, der im KZ war und nicht als einen KZler, der auch Musik macht. Istvan Hajdu, der in der Haft ein Bein verlor, zeigte an historischer Stätte, wie er mit einer Prothese wieder das Laufen lernte. Sein Zitat zeugt von seiner ungebändigten Freude am Leben: „… Ich werde nie mit Stock gehen!“
Die Überlebenden der Konzentrationslager sind außerordentlich wichtige Zeugen für die nationalsozialistischen Verbrechen, die von Deutschland ausgingen. Stefan Hanke ist überzeugt, dass das Wissen um ihre Leidensgeschichten aktueller und nötiger denn je ist. Seine Motivation spiegelt sich im Zitat des Überlebenden Adam König wider: „Wer das vergisst, was während der faschistischen Zeit geschah, der kann gezwungen sein, das Geschehene wieder erleben zu müssen.“
Dr. Eckart Dietzfelbinger, Historiker: „KZ überlebt entbindet den Betrachter nicht von der Entscheidung, wie er sich angesichts gegenwärtiger politischer Verwerfungen, der Demokratieverachtung, des Rechtsextremismus und der Kriege verhält: wegschauend, gleichgültig, oder als engagierter und nachdenkender Mensch.“